Mittwoch, 11. März 2009

Brief an die LehrerInnen

Betrifft: Dienststellenversammlung


Liebe Lehrerinnen und Lehrer,


dieser Brief erreicht Sie in bewegten Zeiten. In dieser Woche gibt es wahrscheinlich auch an Ihrer Schule Dienststellenversammlungen. Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Versammlung und erlaube mir in diesem Brief, die Position der Grünen zur Stundenaufstockung darzustellen.


Sepp, gib uns mehr Geld“ formulierte eine Gruppe der Grünen SchülerInnen kürzlich nach ausführlicher Diskussion über die Vorschläge von Bildungsministerin Claudia Schmied und traf damit den Kern der derzeitigen Diskussion. Es geht derzeit um die Frage, wer Schulreformen finanzieren soll. Ist die Finanzierung einer notwendigen Reform Aufgabe der öffentlichen Hand oder ist sie die Aufgabe der LehrerInnen? Ich bin davon überzeugt, dass es sich dabei um eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft handelt. Ich lehne es ab, die Finanzen der Bundesregierung auf dem Rücken der LehrerInnen zu sanieren!


Wenn man eine Umfrage in Österreich machen würde, ob StraßenkehrerInnen zukünftig an Sonntagen die Mülleimer gratis ausleeren sollen, dann gäbe es derzeit sogar dafür eine Mehrheit. Als LehrerInnen kämpfen Sie derzeit nicht nur gegen Lohnkürzungen. Sie kämpfen auch für ein solidarisches Verständnis von Gesellschaft. Ein Verständnis von Politik, die nicht Menschen gegen einander ausspielen, sondern gemeinsam tragfähige Lösungen finden soll. Unterstützt von einer großen Zeitung lässt es sich gut auf andere schimpfen. Was offenbar viele vergessen, die jetzt über die LehrerInnen schimpfen, ist: sie können als Nächste betroffen sein. Sie, liebe Lehrerinnen und Lehrer wiederum bitte ich um Solidarität mit jenen zukünftigen jungen KollegInnen, die von der Maßnahme der Bildungsministerin am stärksten betroffen sein würden, weil sie nämlich keinen Job erhalten.


Ich halte den Zugang der Bildungsministerin und des Finanzministers für grundfalsch. Die beiden beschäftigen sich leider lieber damit, einer ganzen Berufsgruppe mangelndes Engagement vorzuwerfen und dabei auch noch mit irreführenden Zahlen zu argumentieren, anstatt sich darüber zu unterhalten, welche Schulreformen wir eigentlich brauchen. Schmied und Pröll nehmen für politisches Kleingeld in Kauf, dass diese notwendige Diskussion wieder um ein paar Jahre hinausgezögert wird.


Ich will Ihnen an dieser Stelle nicht nur Honig um den Mund schmieren. Ich denke durchaus, dass LehrerInnen mehr Arbeitszeit in der Schule verbringen sollten. In der Schule, wohlgemerkt, nicht im Unterricht. Ich bin der Ansicht, dass LehrerInnen größere Teile der Vorbereitungszeit in der Schule verbringen sollten und dabei auch für SchülerInnen ansprechbar sein können. Aber nur wenn die Voraussetzungen stimmen und davon sind wir leider meilenweit entfernt. Ein dreiviertel Quadratmeter Konferenzzimmertisch ist kein Arbeitsplatz. Auch LehrerInnen haben Anspruch auf eigene Räume für ihre Vor- und Nachbereitung und für individuelle Hilfestellungen. Das Engagement von LehrerInnen soll unterstützt und überhaupt erst ermöglicht werden, anstatt einfach so mehr Unterrichtszeit in der Klasse zu verlangen.


Die Schulreformen, die uns Grünen vorschweben werden bei LehrerInnen auch nicht zu weniger Arbeit führen. Individualisierter Unterricht ist unendlich aufwändig, das wissen Sie sicher selbst am Besten. Schulreformen brauchen jedoch nicht nur eine pädagogische Vision, sondern vor allem auch eine handfeste Finanzierung. Eine ernsthafte Diskussion um die Zukunft der Schule, die die SchülerInnen in den Mittelpunkt stellt, sieht jedenfalls anders aus als jene, die derzeit in Österreich geführt wird.


Inzwischen danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich sehr, wenn aus diesem Brief der Beginn einer fruchtbaren Diskussion über die Zukunft der Schule werden kann. Ich freue mich sehr über alle Rückmeldungen, am einfachsten per Mail, ich komme aber auch sehr gerne zu einer Diskussion an Ihre Schule.



Geben Sie die Hoffnung nicht auf und engagieren Sie sich weiter, ich werde das auch tun.



Gebi Mair gebi.mair@gruene.at

Grüner Bildungssprecher im Tiroler Landtag www.gebimair.at

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Nachdem die Grünen fordern, dass jeder Lehrer einen eigenen Raum in der Schule bekommt, habt ihr auch sicher schon einen Finanzplan dafür aufgestellt Sprich wieviel dies Idee für alle Schulen in Österreich kosten würde, und wo das Geld hergenommen werden soll. Und, wo dieser Zubau an Schulen in Großstädten erfolgen soll.
Bitte um einen Link zu diesen Daten.
Oder gibt es womöglich keine Zahlen, und ihr betreibt puren Populismus???????

Gebi Mair hat gesagt…

Ja klar gibt es so einen Plan: 600 Millionen Euro.

Wie komme ich zu der Zahl?
120.000 LehrerInnen, immer ein Raum für 2, macht 60.000 Räume. Die Hälfte ist im bestehenden SchülerInnenrückgang, insbesondere in den Hauptschulen, aus dem Bestand zu decken, macht Bedarf an 30.000 neuen Räumen. Nehmen wir eine Durchschnittsgröße von 10 Quadratmetern an und einen Preis von 2000 Euro je Quadratmeter, macht 600 Millionen Euro. Wenn man die Raumgrößen oder die Annahmen über den Bedarf oder die Baukosten verändert, kommen andere Zahlen heraus, aber diese Annahmen scheinen irgendwo realistisch finde ich.

Anonym hat gesagt…

Herr Gebi Mair wieder einmal ein paar konkrete Fragen an Sie:

1) Über welche Variante sollen die 600.000.000 Euro aufgetrieben werden (Steuer oder Abgabenerhöhung ?). Immerhin wollen sie auch mehr Steuergeld in die Zuwanderung, Asylpolitik, Sozialarbeit, Arbeitslosengelderhöhung u.a. Sozialbereiche investieren und das in Zeiten rapide sinkender Steuereinnahmen als Folge des drohenden ökonomischen Abschwunges.

2) Wie wollen sie auch für eine inanspruchnahme dieser teuren Zusatzangebote in den Schulen garantieren? Immerhin könnte es ja trotzdem für so manche Lehrkraft subjektiv angenehmer sein nach Beendigung des Unterrichts nach Hause zu fahren. Ohne gewisse Vorgaben wird diese Grüninvestition in die (VER?)Bildung genauso effektiv sein, wie die Errichtung Zwentendorfs.

3) Wie hoch würden die Integrationskosten in der Schule und Gesellscahft ansteigen, wenn Ihre extrem liberalen Positionen in der Zuwanderungsfrage (smash the boarders) umgesetzt werden würden?

4) Wie wollen Sie einem Privatangestellen, der derzeit um seinen Job bangt und/oder spürbare Einkommensverluste infolge von Kurzarbeit hinnehmen muss erklären, dass es für Lehrer nicht zumutbar sein soll unter der Prämisse der gegebenen krisensicheren Einkommensgarantie 2Stunden mehr in der Woche in der Schule im Interesse seiner Schüler zu verbringen? Immerhin steigen die Ausgaben für teure Privatnachhilfe auch deshalb an, weil viele Lehrkräfte für die Schüler zu wenig vor Ort ansprechbar sind.

PS.: Ich glaube auch, dass sich für engagierte Lehrer, welche breits jetzt in der Schule oft für ihre Schüler ansprechbar sind, weil sie dort ihre notwenige Verwaltungs und Korrekturtätigkeit ausüben, durch die geplante Reform wenig ändern würde, ODER DOCH?

Dr. christian Warum

Anonym hat gesagt…

ahhhhh, so soll das laufen.
weniger schüler bedeutet mehr platz.
anstatt wanderklassen abschaffen (gibt es auch in hauptschulen) und klassen kleiner machen, soll nun der platz für lehrerbüros genommen werden.
gratulation!!!!
so sieht also grüne bildungspolitik aus!